Das Original

Die Schiffe aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert gehören für mich mit zu den interessantesten Modellen. Zwischen dem Ende der Segelschifffahrt und dem Aufkommen der Dampfschifffahrt wurde von den Marinen viel experimentiert und so mancher aus heutiger Sicht etwas eigenwilliger Entwurf entstand in dieser  Zeit. Dazu gehört auch das französische Schlachtschiff Hoche.

Die Hoche wurde 1881 in Lorient auf Kiel gelegt und 1886 der französischen Marine übergeben. Sie war kein sehr glücklicher Entwurf und wurde im Laufe ihrer Dienstzeit mehrfach umfangreich umgebaut. Dabei erhielt sie zum Teil andere Geschütze, eine andere Maschinenanlage und ihre Aufbauten wurden verkleinert. In ihrer ursprünglichen Version hatte sie einen sehr niedrigen Freibord und war durch die vielen und hohen Aufbauten stark topplastig und instabil. In Marinekreisen hatte das Schiff wegen der vielen Aufbauten den Spitzname „Le Grand Hotel“.

Die Hoche diente im ersten Jahr im Ärmelkanal, wurde aber 1891 der Mittelmeerflotte zu geteilt. In den folgenden Jahren nahm sie sowohl im Mittelmeer, als auch an der französischen Nord- und Atlantikküste, zum Teil sogar als Flaggschiff, an Flottenmanövern teil. 1904 wurde sie in die Reserveflotte verlegt und schließlich 1913 als Zielschiff von den Schiffen Jauréguiberry und Pothuau versenkt.

Länge 102,59 m
Breite 20,22 m
Tiefgang 8,31 m
Antrieb 8 Dampfkessel, 12000 PS
Geschwindigkeit 16 kn
Besatzung 600
Bewaffnung 1890 2 x 340 mm L/28, 2 x 274 mm L/28, 18 x 138 mm L/45, 10 x 3-Pfünder-Kanonen mit 47 mm und 10 x Hotchkiss-Revolver mit 37 mm, alle in Einzellafetten, 5 Topedorohre
 

Das Modell

Modell:             Schlachtschiff Hoche
Hersteller:         Kombrig Models
Maßstab:          1/350
Material:           Resin, Fotoätzteile
Preis:                ca. 150,00 Euro

Der Bausatz der Hoche gehört zu den älteren Bausätzen in 1/350 von Kombrig (Bausatzbesprechung). Ich hatte mir den Wasserlinien-Bausatz gekauft, da ich meine Schiffe als Wasserlinienmodelle baue. Als erstes musste ich leider feststellen, das sich viele der Kleinteile vom Gussast gelöst hatten und zerbrochen waren. Das hat mich aber nicht weiter gestört, da ich diese Teile meistens sowieso durch kleine Messingteile ersetze. Ein Blick auf die Bauanleitung zeigte mir, dass ich ohne weitere umfangreiche Recherche den Bausatz nicht bauen kann. Die Bauanleitung ist nur ein Seitenriss und eine Explosionszeichnung. Beides sehr schlechte Kopien, auf denen die Teile oft nicht zu erkennen sind. Da die Teile bei Kombrig nicht nummeriert werden, war es nicht möglich nach der Bauanleitung die Ätzteile am Modell anzubringen. Gerade bei den vielen Dreiecksstützen, die ja alle sehr ähnlich sind, hatte man keine Chance.

Am Meisten haben mir die Bilder eines Modells der Hoche aus dem Marinemuseum in Brest auf Wikipedia Commons geholfen. Die allgemeine Recherche zur Hoche erwies sich als ziemlich schwierig, da es nur wenig über die Hoche, und zum Teil auch Widersprüchliches über das Schiff gibt.

Quelle: Wikimedia Commons

Die Ätzteile des Bausatzes erwiesen sich leider als zum Teil viel zu dick und nicht brauchbar. In der Bauanleitung erkennbare Teile waren nicht ausreichend vorhanden. Eine Reling fehlt ja bei Kombrig immer, aber die Hoche hatte z.B. auch erheblich mehr Niedergänge als auf der Platine vorhanden. Auch von den sechs angegeben Ankern gab es nur vier. So verbrachte ich den größten Teil der Zeit beim Bauen mit der Suche von entsprechenden Teilen in meiner zum Glück schon recht umfangreichen Restekiste. Die großen 340-mm-Kanonen hatte ich mir schon vor langer Zeit bei Burkhardt Masch gekauft. Die gedrehten Rohre sehen doch deutlich besser aus als die Resinrohre von Kombrig.

Bei den Resinplattformen waren einige Teile so verdreht, dass auch kein heißes Wasser mehr half, sie in die richtige Passform zu bekommen. Ich habe dann die Teile durch Eigenbauten aus Plastikplatten ersetzt. Auch die sonst so schönen Detaillierungen, wie bei Kombrig normalerweise üblich, gab es bei dem Rumpf leider nicht. So habe ich alle Fenster die nach der Grundierung schon nicht mehr zu erkennen waren durch Ätzteile dargestellt. Dafür passten sehr gut einzelne Relingelemente in 1/700 hochkant genommen. Insgesamt blieb eigentlich vom Originalbausatz nicht so richtig viel übrig.

Quellen

  • Chesneau, Kolesnik, Kriegsschiffe der Welt 1860 bis 1905, Band 3, ISBN 37637 54040
  • Internet: Wikimedia Commons

Fazit

Zusammenfassend muss ich sagen, dass der Bausatz meine Geduld stark gefordert, bzw schon überfordert, hat. So manches Mal war ich kurz davor, das Modell in die große Tonne zu entsorgen. Aber man hatte schon zu viele Stunden investiert und ein gewisser eigener Ehrgeiz ist ja auch vorhanden. Bastelspaß war es mit diesem Bausatz nicht, eher oft Bastelfrust. Dass die Bausätze von Kombrig oft schwierig sind, weiß ich - ich habe schon viele von ihnen gebaut. Aber hier stimmte fast gar nichts. Wenigstens ein vernünftiger Bauplan wäre gut gewesen. Der Urmodellbauer musste doch auch einen gehabt haben und wenn Kombrig schon keine vernünftigen Fotokopien machen kann, dann sollten sie den Plan zum Nachschauen auf ihrer Webseite veröffentlichen. Die Fotoätzteile sind ja heute zum Glück besser, aber eine Durchnummerierung und Kontrolle, ob auch alle Teile vom Bauplan vorhanden sind, wären sehr schön.

Was bleibt von dem Bausatz? Eine gute Idee von einem seltenen und interessanten Schiff, aber ärgerlicherweise eine mangelhafte Umsetzung als Bausatz. Leider kann ich den Enthusiasmus meines Kollegen Wolfgang, der den Bausatz vorgestellt hat, nach dem Bau des Modelles nicht teilen. Er ist nur Modellbauern mit einer großen Frusttoleranz zu empfehlen.

Thomas Sperling