11.12.1902 - 120 Jahre Erbeutung des Kreuzers Restaurador
Heute vor 120 Jahren, am 11. Dezember 1902, eroberten Enterkommandos des deutschen Geschützten Kreuzers SMS Gazelle den venezolanischen Kreuzer Restaurador (siehe Jahrestage auf Modellmarine). Der damalige, diktatorisch regierende Präsident Venezuelas, Cipriano Castro, weigerte sich die Kredite bei ausländischen Banken, die die Vorgängerregime aufgenommen hatten, zu bezahlen. Darauf organisierten das Deutsche Reich, Großbritannien und Italien eine Blockade Venezuelas, um die Rückzahlung zu erzwingen - ein klassisches Beispiel der damaligen Kanonenbootpolitik. Britische und deutsche Schiffe eroberten den Großteil der Schiffe der venezolanischen Marine, so auch den Kreuzer Restaurador, der durch den deutschen Kreuzer SMS Gazelle erobert wurde.
Das Original
Der deutsche Geschützte Kreuzer SMS Gazelle, ursprünglich als Kreuzer IV. Klasse und ab Fertigstellung als Kleiner Kreuzer klassifiziert, war das Typschiff einer Klasse von zehn von 1897-1904 gebauten Kreuzern. Die Gazelle-Klasse war die erste Klasse eines kleineren Kreuzers der Kaiserlichen Marine, die sowohl für den Einsatz mit der Flotte als auch als Auslandskreuzer gedacht war. Auf die Klasse folgten 17 ähnliche Kreuzer der Bremen-, Königsberg-, Dresden- und Kolberg-Klasse.
Der Rumpf war eine Weiterentwicklung des Aviso Hela, allerdings etwas breiter und stärker gebaut, um eine stärkere Artilleriebewaffnung einbauen zu können. Die Klasse erhielt schnell feuernde 10,5-cm-Geschütze, um sowohl kleinere Kreuzer als auch Torpedoboote bekämpfen zu können. Vergleichbare damalige britische Kreuzer III. Klasse erhielten 10,2-cm-Geschütze, die für den Dienst bei der Flotte gebauten Spähkreuzer nur 7,6-cm-Geschütze. Die Torpedobewaffnung des Typschiffs Gazelle bestand wie bei der Hela aus drei Torpedorohren, bei den folgenden Schiffen nur noch aus zwei Torpedorohren. Als Schutz war ein Panzerdeck vorhanden. Die Schiffe der Gazelle-Klasse fielen nicht identisch aus. Es gab Unterschiede beim Antrieb, insbesondere bei den Kesseln. Gazelle hatte dazu die Brücke mittschiffs zwischen den Schornsteinen, die folgende Schiffe - Niobe, Nymphe, Thetis, Ariadne, Amazone und Medusa - hatten die Brücke zwischen Fockmast und dem vorderen Schornstein. Die letzten drei Schiffe - Frauenlob, Arcona und Undine - waren etwas breiter.
Gazelle war 105,0 m lang, 12,2 m breit und verdrängte 2963 t. Der Antrieb erfolgte durch acht Kessel und zwei Vierzylinder-Dreifachexpansionsdampfmaschinen mit 6671 PS, womit 20,1 kn erreicht wurden. Die Besatzung bestand aus 257 Mann.
Bewaffnung
10 x 10,5 cm L/40 SK
10 x 3,7 cm Revolverkanonen
3 x 45 cm Torpedorohre (eines unter Wasser am Bug, zwei über Wasser schwenkbar mittschiffs)
Gazelle wurde 1897-98 von der Germaniawerft in Kiel gebaut. Probleme mit den Kesseln bedeuteten, dass das Schiff nach zwei Erprobungsphasen wieder zurück in die Werft musste und erst 1901 in Dienst gestellt werden konnte. Sie wurde kurzzeitig mit der Flotte eingesetzt, aber dann 1902 in die Karibik geschickt, um sich an der Blockade Venezuelas zu beteiligen. Während der Blockade eroberte sie am 11. Dezember 1902 den venezuelanischen Kreuzer (eigentlich eine bewaffnete Yacht) Restaurador. Gazelle wurde dort Teil der Ostamerikanischen Kreuzer-Division. Sie besuchte u.a. die USA, Kanada und Mexiko. 1904 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde außer Dienst gestellt. 1905-07 wurde sie von der Kaiserlichen Werft in Danzig umgebaut und erhielt neue Kessel. Sie blieb außer Dienst und wurde erst bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wieder in Dienst gestellt und Teil der Küstenschutz-Division in der Ostsee. Mit dieser war sie an mehreren Vorstößen beteiligt. Am 25. Januar 1915 lief sie bei Kap Arkona auf eine Mine, die beide Schrauben abriss. Die Zerstörer G 132 und G 134 schleppten sie zurück. Da die Reparaturen des als veraltet betrachteten Schiffs (es war keine vier Jahre im Dienst gewesen!) als zu teuer angesehen wurden, wurde Gazelle außer Dienst gestellt. Sie wurde Minenhulk, erst in Danzig, dann in Cuxhaven. 1920 wurde sie gestrichen und in Wilhelmshaven abgewrackt.
Das Modell
Mein Modell des Geschützten Kreuzers SMS Gazelle baute ich aus dem Bausatz von Kombrig (Bausatzbesprechung). Der Bausatz ist sehr detailliert und lässt sich auch gut bauen. Man muss allerdings sehr darauf achten, dass im Bereich der Klebestellen nicht zu viel Farbe und Kleber ist, da die Teile sonst nicht passen. Die Anleitung ist auch etwas gewöhnungsbedürftig. Es gibt jeweils zwei Ansichten, einmal die einzelnen Teile mit den Nummer und im Hintergrund eine zweite, auf der dieser Abschnitt zusammen gebaut zu sehen ist. Meist kann man nur aus letzterer Abbildung verstehen, wo welches Teil hinkommt, teilweise versteht man auch nur durch letztere, wie viele Teile verbaut werden sollen.
Das Modell baute ich überwiegend aus dem Kasten. Die auffälligste Änderung ist das Weglassen des Steuerhaus der vorderen Brücke, das ich auf keinem Foto aus der Zeit 1902/03 ausmachen konnte. Es ist auf Plänen der Gazelle gezeigt, die aber von 1907 sind und eventuell den Zustand nach dem Umbau zeigen (es sind auch Funkantennen gezeigt, die Gazelle 1902 noch gar nicht hatte). Für die Masten verwendete ich Metallstäbe, für die Takelung schwarzen 20-Denier-Faden von Uni Caenis.
Für das genaue Farbschema habe ich lange Fotos studiert und trotzdem blieben einige Fragen offen, u.a. die Farbgebung der Innenseiten des Schanzkleids. Der Tropenanstrich der verschiedenen Kreuzer der Gazelle-Klasse unterschied sich auch überraschend stark, so dass Fotos von Schwesterschiffe oft nicht hilfreich waren. Vielen Dank an Klaus Lingenauber für seine vielen Hinweise zur Bemalung von Schiffen der Kaiserlichen Marine! Für die Bemalung wählte ich wieder Farben von Vallejo Model Color: 4 (820) Cremeweiß für den Rumpf und die Beiboote, 121 (913) Ockergelb für Aufbauten, Geschützlafetten und -schutzschilde, Schornsteine und Masten sowie 35 (859) Schwarzrot für die meisten Decks. Lediglich im Bereich der Anker bemalte ich die Decks mit 167 Anthrazitgrau, das ich auch für die meisten Geschützrohre verwendete (hier war ich mir sehr unsicher, viele damalige Schiffe mit Tropenanstrich hatten weiße Geschützrohre). Für den Zierstreifen am Rumpf, den Gazelle auf mehreren in Nordamerika aufgenommen Fotos aufweist, benutzte ich 0,25 mm dicke rote Abziehbilderstreifen von Interdecal.
Links die Gazelle mit einem Kreuzer aus dem letzten Los der Gazelle-Klasse, der SMS Frauenlob (1903), sowie einem späten Kreuzer aus der gleichen Entwicklungslinie, SMS Emden (1909). Rechts mit zwei neueren Schiffen, dem Leichten Kreuzer Königsberg (1929) sowie der französischen Fregatte Provence (2016) - Kreuzer wie die Gazelle waren im Vergleich zu Kreuzern des Zweiten Weltkriegs oder heutigen Fregatten relativ kleine Schiffe.
Quellen
- The Kaiser's Cruisers 1871-1918 von Aidan Dodson und Dirk Nottelmann, Barnsley, 2021 (Buchbesprechung)
- The Development of the Small Cruiser in the Imperial German Navy (Part 1) von Dirk Nottelmann in Warship 2020 von John Jordan (Herausgeber), Oxford, 2020 (Buchbesprechung)
- Die Entwicklung der Kreuzer bis zu den Scouts um 1905 von Erwin Strohbusch in Marine-Rundschau 4/1980
- Kleine Kreuzer der Kaiserlichen Marine 1898 bis 1918 von Axel Bader, Berlin, 2008
- SMS Gazelle (1898) (Wikipedia)
- S.M.S. Gazelle (1898) (deutsche-schutzgebiete.de)
- Gazelle-Klasse (Wikipedia)
- Plan der Gazelle (dreadnoughtproject.org)
- Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945, Band 1 von Erich Gröner, München, 1966
- Die deutschen Kriegsschiffe. Biographien von Hans H. Hildebrandt, Albert Röhr und Hans-Otto Steinmetz, Hamburg, 1980?
- Conway’s All the world’s fighting ships 1860-1905 von Robert Gardiner (Herausgeber), London, 1979
- Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika 1866-1914. Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik von Gerhard Wiechmann, Bremen, 2002
Lars